Die Feuerwehren Rust und Kappel-Grafenhausen arbeiten im Naturschutzgebiet Taubergießen enger zusammen
Mit einer gemeinsamen Einheit wollen zwei Feuerwehren ihre Kooperation im Taubergießen verbessern. Die BZ hat mit den Kommandanten Timo Hilß und Florian Bachmann darüber gesprochen.
Einsatz im Taubergiessen im Jahr 2021
Foto: Feuerwehr Kappel-Grafenhausen
KAPPEL-GRAFENHAUSEN. BZ:
Ihre beiden Feuerwehren erarbeiten zurzeit das sogenannte Rettungskonzept Taubergießen. Was hat es damit auf sich?
Timo Hilß (Kappel-Grafenhausen):
Die Feuerwehr ist angehalten, alle fünf Jahre einen Bedarfsplan fortzuschreiben. Bei einer Risikoanalyse für unsere beiden Feuerwehren wurde deutlich, dass das Taubergießen mit seinem Tourismus sowie der künftige Polder Elzmündung eine wichtige Rolle spielen.
Florian Bachmann (Rust):
Wir hatten in der Vergangenheit einiges an Einsätzen im Taubergießen zu bewältigen. Schon vor dem Hochwasser im vergangenen Jahr, bei dem wir ja einen größeren Wasserrettungseinsatz hatten, ist die Idee entstanden, ein gemeinsames Rettungskonzept zu erarbeiten. Ziel ist es, unsere bisherige Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.
BZ:
Was sieht das Konzept genau vor?
Hilß:
Unsere beiden Feuerwehren bilden eine neue Einheit, die im Notfall alarmiert wird. Gemarkungsgrenzen spielen keine Rolle mehr. Das bedeutet, dass die Kommunikation vereinfacht wird. Die Wasserrettung ist ein Teil des Konzepts. Weitere Säulen sind Flächen- oder Vegetationsbrände sowie medizinische Notfälle, beispielsweise von Wanderern oder Radfahrern.
Bachmann:
Das Gebiet wird ja vermarktet und touristisch genutzt und ist dadurch stark frequentiert. Damit steigen auch unsere Einsatzzahlen, auch weil nicht ortskundige Besucher oft Situationen, zum Beispiel Strömungsverhältnisse, nicht richtig einschätzen können. Insgesamt hat uns die zunehmende Zahl an Besuchern gezeigt, dass wir uns hier effizienter aufstellen müssen.
Hilß:
Touristen, die sich nicht auskennen, haben oft keine Orientierung, wo im Gebiet sie sich befinden, wenn sie einen Notruf absetzen. Bisher mussten dann die Disponenten in der Leitstelle entscheiden, ob sie nun die Ruster oder die Kappel-Grafenhausener Feuerwehr alarmieren. Künftig ist das nicht mehr erforderlich, da es ein Gebiet mit einer Einheit ist.
BZ:
Das Gebiet liegt nicht nur auf Gemarkungen der Gemeinden Kappel-Grafenhausen und Rust, würde es daher nicht Sinn machen, das Konzept auszudehnen?
Bachmann:
Wir haben Richtung Rheinhausen das Problem der Landkreisgrenze. Wir haben uns dazu entschieden, dass unsere beiden Feuerwehren ein gemeinsames Konzept ausarbeiten, weil wir in der Vergangenheit auch viele gemeinsame Einsätze hatten. Es spricht aber nichts dagegen, dieses Konzept vielleicht auch nochmal zu erweitern.
BZ:
Gibt es schon einen Zeitplan, wann die Einheit ihre Arbeit aufnehmen soll?
Hilß:
Voraussichtlich im Mai soll das Aluminiumrumpfboot geliefert werden, das für die Feuerwehr Kappel-Grafenhausenbestellt ist und für die neue Einheit zur Verfügung stehen soll.
Bachmann:
Sobald es da ist, wird es intensive Trainings- und Übungseinheiten zur Ausbildung geben. Ist die Mannschaft fit und die Sicherheit im Umgang mit dem Boot gegeben, gehen wir in den Einsatz.
BZ:
Wie viele Kräfte umfasst die Einheit?
Bachmann:
Die Zahl berechnet sich nach den Plätzen, die wir in den Fahrzeugen haben, die für dieses Gebiet zur Verfügung stehen. Aber es ist noch zu früh, um über absolute Zahlen zu sprechen, da wir noch nicht final wissen, welche Technik uns zur Verfügung stehen wird.
BZ:
Daran wird gerade noch gearbeitet?
Bachmann:
Genau. Wir haben einen Arbeitskreis mit Vertretern beider Feuerwehren gegründet. Wichtige Fragen neben der Personalplanung sind zum Beispiel: Wie können wir die Fahrzeuge im Bestand dort draußen effizient einsetzen? Und wo sammeln wir uns bei einem Einsatz strategisch?
"Gemarkungsgrenzen
spielen keine Rolle mehr."
Hilß:
Dafür wurden Feuerwehreinsatzpläne erarbeitet. Diese kann man sich vorstellen wie Drehbücher. Sie geben vor, wie die Maschinerie im Fall X anläuft. Dazu gibt es eine Karte, die uns zum Beispiel auch Auskunft darüber gibt, wo wir ein Boot zu Wasser lassen können. Aktuell gilt es zu klären, was wir an Technik zur Verfügung haben und was wir davon in die neue Einheit einbringen. Einen kompletten Löschzug halten wir für den Grundschutz vor, den wir ja weiter hin gewährleisten. Das bedeutet für die Bevölkerung: Es kommt dasselbe, wenn wir im Taubergießen sind, wie wenn wir nicht dort wären.
Bachmann:
Genau, es besteht keinerlei Gefahr, dass wir für parallele Einsätze außerhalb des Taubergießens dann plötzlich nicht mehr zur Verfügung stehen.
BZ:
Herr Hilß, Sie hatten einmal gesagt, die neue Einheit solle vor allem tagsüber Entlastung bringen. Können Sie das näher erläutern?
Hilß:
Die Rettung von Menschen in so einem Gebiet ist sehr personalintensiv. Gerade freiwillige Feuerwehren haben ja mit der Tagesverfügbarkeit zu kämpfen. Durch die gemeinsame Einheit muss jede Feuerwehr nur die Hälfte an Personalbringen. Die andere Hälfte behält jeder in der Hinterhand für den Grundschutz.
Bachmann:
Dadurch sind wir noch besser und effizienter aufgestellt.
BZ:
Wenn wir schon beim Personal sind: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Bachmann:
Die Corona-Pandemie hat die Situation speziell im Bereich Jugend, aber auch bei den Aktiven, nicht gerade erleichtert, weil lange keine Übungen oder Ausbildungsangebote statt finden konnten. Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre macht es für die Feuerwehr und für andere Vereine nicht einfacher, neue Mitglieder zu gewinnen.
Hilß:
Einen Quereinsteiger im einsatzfähigen Alter zu finden, ist eine Glückssache. Wir zehren von unserer Kinder- und Jugendfeuerwehr. Viele Funktionsträger, die wir haben, entstammen unserer Jugendfeuerwehr. Insgesamt ist es so, dass die Einsatzzahlen steigen und die Ausbildung zeitintensiv ist – all das muss man wollen und das muss die Familiemittragen. Wir sind die, die ins rote Auto sitzen, aber wir sind nur 50 Prozent.
Timo Hilß / Florian Bachmann
Foto: Lena Marie Jörger
Autor: Lena Marie Jörger