Quelle: Badische Zeitung vom 12.07.2017

Die Retter von Kappel

Gunther Mau war zur rechten Zeit am richtigen Ort und handelte richtig / Die ganze Gemeinde hilft der Familie, die im Feuer ihr ganzes Hab und Gut verlor.


Das Haus in der Rheinstraße in Kappel geht am Montagmittag in Flammen auf.
Foto: Wolfgang Künstle

KAPPEL-GRAFENHAUSEN. Zwei Kinder sind allein daheim und das Haus fängt an zu brennen. Sie überleben durch das beherzte Eingreifen eines Passanten. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte holen Gunther Mau und sein Kollege mit Unterstützung herbeieilender Nachbarn die beiden Kinder aus dem Haus. Als die Rettungskräfte eintreffen, steht das ganze Haus bereits lichterloh in Flammen. Das Gebäude ist nicht mehr zu retten. Auch am Tag danach geht eine Welle der Hilfsbereitschaft durchs Dorf. Kleider, Hausrat und eine Wohnung für die Familie werden organisiert, ein Spendenkonto wird eingerichtet. Die siebenköpfige Familie hat am Montag im Feuer ihr gesamtes Hab und Gut verloren.

Es ist Montag am späten Nachmittag. Gunther Mau ist mit seinem Auto unterwegs zu einem Kundentermin. Als der Heizung- und Lüftungsbauer durch die Rheinstraße fährt, entdeckt er das brennende Haus. "Ich habe nach rechts gesehen und dort das Gebäude in Flammen bemerkt. Selbstverständlich habe ich sofort die Feuerwehr über den Notruf alarmiert", sagt Mau am Tag danach. Dann geht alles ganz schnell. Statt im Auto zu warten, steigt er aus und nähert sich dem Haus, nimmt Kinderstimmen wahr, die aus dem offenen Dachfenster um Hilfe rufen.

Mau schnappt sich aus dem Nachbargarten eine Bautreppe, die er kurzerhand ans Haus stellt. Über das Dach gelangt er an das Fenster, zieht beide Kinder nacheinander aus dem Gebäude. Schon auf dem Weg nach oben explodieren Fenster unter ihm im Erdgeschoss. Maus Kollege Conny Lindner greift ein. Er steigt auch auf die Bautreppe und nimmt die Kinder entgegen. Mau und Lindner rufen um Hilfe und Nachbarn kommen heran. Bevor Mau die Kinder aus dem Haus rettet, hat das 13-jährige Mädchen selbst noch die Feuerwehr rufen können. Als die Retter und der Vater schließlich eintreffen, sind die Kinder bereits in Sicherheit.

"Ohne das beherzte Eingreifen von Herrn Mau, wäre es hier zur einer Katastrophe gekommen", sagt Christine Kurz, die sich zufällig mit Bruder Volker Kurz in der Nähe befindet und die Hilferufe der beiden Retter hört. Sie nehmen ihnen die beiden Kinder ab und bringen diese in Sicherheit. Aus der Nachbarschaft eilt Peter Kurz herbei. Er ist ausgebildeter Rettungssanitäter. "Die beiden Kinder hatten viel Rauch abbekommen", sagt er. Bis die Kollegen vom Rettungsdienst eintreffen, übernimmt er die Erstversorgung.

Retter und Helfer sind in diesen Moment indes noch beunruhigt, denn Peter Kurz, der Nachbar, weiß, dass weitere drei Kinder zur Familie gehören. Über deren Verbleib herrscht Ungewissheit. Das 13-jährige Mädchen versichert aber, dass sie mit ihrem dreijährigen Brüderchen allein im Haus war. Nur der Hund sei noch im Haus. Inzwischen lodern schon die Flammen aus den Fenstern, auch die Rettungskräfte sind da. Dem Hund kann nicht mehr geholfen werden, er verbrennt.

Als Feuerwehrkommandant Hilmar Singler und seine Kollegen nur wenige Minuten nach dem Notruf am Brandort eintreffen, wird schnell klar: Das Haus ist nicht mehr zu retten. "Auch mit Atemschutzgerät konnte ich hier keinen Kameraden zur Brandbekämpfung ins Haus schicken. Das wäre zu gefährlich gewesen. Da auch klar war, dass sich keine Personen mehr im Haus aufhalten, haben wir zunächst einen Sicherheitsriegel ums Haus gebildet", erklärt Singler am Tag nach den Einsatz. Mit einem Wasservorhang werden die angrenzen Gebäude gesichert – ein Schuppen und eine Werkstatt, in denen Öle und Brennholz lagern, und ein dicht stehendes Nachbargebäude.

Das Feuer im Haus wird von einer Drehleiter aus bekämpft. Ein entsprechendes Fahrzeug der Feuerwehr Ettenheim ist im Einsatz. Immer wieder kommt es zu einer Verpuffung und die Flammen schlagen explosionsartig vom Erdgeschoss bis unter den Dachstuhl durch. "Das Rauchgas kann nicht entweichen und durch die enorme Hitze entzündet es sich", erklärt Singler.

Rund 60 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei und Sanitätsdienst sind im Einsatz. Neben den 45 Feuerwehrleuten aus den Wehren Kappel-Grafenhausen und Ettenheim auch Feuerwehrmänner aus Schwanau und Rust. Sie bilden gemeinsam mit der Feuerwehr Kappel-Grafenhausen die sogenannte Einsatzgruppe Süd. Die Aufgabe der Ruster und Schwanauer: Die Versorgung der eingesetzten Rettungskräfte, die Bereitstellung der Atemschutzgeräte und die Dokumentation des Einsatzes. Singler: "Diese Kooperation hat sich bei diesem Großeinsatz einmal mehr bewährt." Ein eingesetzter Feuerwehrmann hat unter dem Druck und der Hitze Kreislaufprobleme und muss aus dem Einsatz genommen werden. Singler: "Er arbeitet auf dem Bau und hatte gerade Feierabend, als der Einsatz begann."

Die ganze folgende Nacht ist die Feuerwehr im Schichtdienst noch vor Ort und löscht letzte Glutnester. Erst gegen 6 Uhr am Dienstagmorgen verlässt die letzte Feuerwache den Brandort. Über die Brandursache will Singler nicht spekulieren. Die Untersuchungen dauern noch an. Er ist sich aber sicher, dass das Feuer im Erdgeschoss ausgebrochen ist.

Unterdessen läuft in Verwaltung und Bevölkerung die Hilfe für die Familie an. Sie hat das Haus erst vor ein paar Jahren erworben und umfangreich renoviert. Singler: "Jetzt hat sie alles verloren. Haus, Kleidung, Hausrat, Erinnerungsstücke." Schon am Montag am Brandort sagt Bürgermeister Jochen Paleit der Familie Unterstützung zu (wir berichteten). Am Dienstagmorgen telefoniert Paleit mit Gunther Mau, der nach einem kurzen, vorsorglichen Krankenhausaufenthalt bereits wieder seiner gewohnten Arbeit nachgeht. Hauptamtsleiter Daniel Kunz ist unterdessen in Kontakt mit der Familie. Sie nimmt das Angebot der Gemeinde an, fürs Erste das gerade sanierte gemeindeeigene und teilmöblierte Haus in der Schulstraße in Grafenhausen zu beziehen. Ein Unternehmer im Ort spendet eine Waschmaschine, Privatleute Kleidung und Hausrat. Auch Christine Kurz, Mitarbeiterin der Jugendhilfeeinrichtung Iskiz in Grafenhausen, sagt Unterstützung zu. Iskiz und auch DRK stellen den Kindern Kleidung zur Verfügung, die Kindergärten Spielzeug. Die Gemeinde hat überdies ein Spendenkonto eingerichtet. Bürgermeister Jochen Paleit erklärte am Dienstag gegenüber der BZ, dass er dem Gemeinderat vorschlagen werde, einen Hilfsfonds aufzulegen, über den die Spenden treuhänderisch verwaltet werden können. Paleit: "Dank der großen Unterstützung aus der Bevölkerung und den Möglichkeiten der Gemeinde können wir dafür sorgen, dass die Familie gut unterkommt und fürs Erste eine Perspektive hat. Mein Dank gilt aber auch den Rettern und den Rettungskräften vor Ort. Ihr Einsatz war überwältigend".


Das Haus nach dem Feuer – unbewohnbar
Foto: Olaf Michel

Autor: Oliver Huber und Klaus Fischer

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